WAS IST RAUM ?

                          Bildkünstlerische Grundlagenforschung eines Bildhauers
                                                 Werkstatt der Ansätze
                                                           
                           BEWEGUNG,  RAUMDRUCK  UND  MEMBRANE

 

                                                       VORWORT   

Ein Versuch eine Brücke zu bauen, eine selbst tragende Brücke in die Wirklichkeitserfahrung des Menschen zu der Wirklichkeit eines künstlerischen Formwerkes, das eine Durchdringung des Wirklichen erlebbar in der Schwebe hält.
Die Konstruktion der Naturähnlichkeit, das Abbild, das Wiedererkennen des Wirklichen, ist eine und eine bewährte Brücke.
Auch mit allen möglichen Irritationen bleibt die Übereinkunft mit dem was bekannt ist, und dem was wieder erkennbar gegenüber steht, stabil.
Die großen Beispiele des gelungenen Übergangs von der Naturähnlichkeit zu starker und hoch abstrahierter künstlerischer Form sind bis auf spezielle Ausnahmen hundert bis einige tausend Jahre alt.
Menschsein artikuliert sich heute aus ganz anderen Spannungen, steht in ganz anderer Gefährdung.
Deshalb versagt die Naturähnlichkeit großenteils als Brücke zwischen Betrachter und Formwerk, weil sie ein Sichtbarwerden und Erkennen heutigen Menschseins mit einem einfachen Wiedererkennen verdeckt. Das geschieht natürlich auch bei den großen alten Meistern, nur sind deren Formwelten mit einer in dieser Zeit durch ebendiese Werke entstandenen Ablesbarkeit direkt mit der sich verändernden Wirklichkeitserfahrung gekoppelt.
So ist z.B. in einem Portrait von Piero della Francesca die Perlenkette am Hals einer Frau in Rhythmus und Richtung in Beziehungen zu den Bäumen am Horizont der Landschaft und dann noch mit der gewunden kreisförmigen Lage des von Bändern gehaltenen Haars u.s.w. .
Damit werden nicht nur die Hals- und Gesichtsflächen formal höchst klar mit der Landschaft verbunden, sondern mit der Perlenkette erfährt die Frau einen Teil ihres Glanzes in der Welt, ihrer Ausstrahlung. Die Perlenkette wird eine trennende und verbindende Eigenheit ihres Wesens, denn die Kreisform der Perlen steht im Klang mit der Gesichtsform und auf einmal sieht man viel mehr als eine Perlenkette, es wird ein Blick in die Tiefe eines damaligen Menschseins und des Menschseins überhaupt u.s.w. .
Diese Möglichkeiten können nur noch wiederholt werden und treffen gewiss nicht die heutigen Fragen.
Geblieben und universell ist eine Ablesbarkeit der im schaffenden Formerlebnis zugekommenen, den Menschen betreffenden Gehalte.
Mir scheint, der Mensch heute konstituiert sich viel weniger als früher im Gewerke einer Verantwortung, als Handelnder in der Sozialisation, in der Familie u.s.w., es scheint als nähme er sich dabei langsam zurück.

Eine Übereinkunft, das ist der Versuch .

Etwas verstehen von der Welt, das ist ein Grundbedürfnis.
Es ist eine tiefe, gewachsene Überzeugung, dass im Erleben der künstlerischen Form, als Betrachter und als Macher, ein Frage – Antwortraum im gegenwärtigen Welt- und Menschsein geöffnet wird, im Formerlebnis die Instrumente der Klärung und des Erkennens wirken.

Die Wahrnehmung der Beziehung zwischen Ich und Welt, Körper und Raum ist einer der ersten Seinseindrücke die wir empfangen.
Unsere Welt ist möglich, durch die Kraft und die Spannung zwischen hochdifferenzierten Körpern und den sie durchdringenden und umgebenden Raum.
Das ist der Alltag unserer Wahrnehmung, unserer Orientierung im Raum, in dem uns die Dinge der Welt als Gegenüber erscheinen, sogar wir uns selbst.
Diese Gewissheit ist scheinbar.

 

                                                       RAUM

Immer wieder unternehme ich einen geistigen Flug zur Erde aus dem Kosmos, von dem aus unser im unfasslichen interstellaren Raum schwebendes Planetensystem wie eine Häufung von Elementarteilchen aussieht.
Die zunehmenden Annäherung differenziert den Wahrnehmungsausschnitt: der blaue Planet, der Kontinent, das Land,  die Stadt, die Straße, der Mensch im Auto, die Hand in der Sonne auf dem Lenkrad, die Hautoberfläche, die Makrostruktur der Haut, die Zelle, das Molekül, dann die atomare Struktur, die in dem gleichen unendlichen Raum verloren schwebt, wie zum Beginn des Fluges die Erde, die Planeten.
Unser Menschsein ist aufgespannt zwischen der Unendlichkeit in der wir uns befinden und der immer wieder durchbrochenen Grenzenlosigkeit die in uns, scheint es, aufgebaut ist, die wir sind.
Eine Transparenz des Seins.
Selbst die ersten Spuren der Höhlenbewohner an den Felswänden, wenn sie der Kontur einer Hand nachfuhren und so die Spur eines Seins als Zeichen hinterließen, befasst sich schon intuitiv mit innerem und äußerem Raum.
Aus starker Form gearbeitete Kunst aller Epochen, stellt die Fragen und gibt die Antworten aus den vollzogenen Spannungen heraus, in denen unser Sein hervorgeht, und erweitert die Wahrnehmung.
Der Flug aus dem Kosmos gibt schon die Ahnung: Wenn nun der Flug noch weiter geht, ist dann nicht alles was eben noch das Dinghafte ausmachte, Raum. Verschwinden nicht, bei weiterer Annäherung an die Substanz, die Substrate dieser Welt, die letzten Spuren einer Materie ?
Der folgende logische Ansatz unterstützt das: Wenn es einen letztendlichen Grundzustand des Materiellen geben sollte, dann kann er kein dinghaftes Sein haben. Denn alles Dinghafte ist teilbar und somit nicht das Letzte.
Die neuere Physik scheint das zu bestätigen.
Doch was ist dann Raum, wie entfaltet er sich und woher kommt die Körperlichkeit der Dinge ?
Ein Raum, leer, ohne Körper ist vorstellbar, doch ein Körper ohne Raum nicht.
Der Weg durch die Raumdimensionen, von der ersten bis zur Ausdehnung unserer Welt ist spannend und wirft die Frage auf: was wären wir und unsere Welt, würde sich eine Raumdimension mehr entfalten ?

Deutlich wird das mit einer Abstraktionsvorstellung der Erde und von allem das sich abgrenzen kann oder eine Oberfläche hat – der Kugel.
Die Kugel ist ein weithin unterschätztes und noch gar nicht in der Konsequenz begriffenes Phänomen.
Die Kugel hat die kleinste Oberfläche von allen Körpern mit einem vorgegebenen Volumen. Von allen Körpern mit vorgegebenem Flächeninhalt umschließt sie das größte Volumen.
Aus diesem Grund tritt die Kugel auch in der Natur auf: Blasen und Wassertropfen sind Kugeln (ohne Berücksichtigung der Gravitation), weil die Oberflächenspannung versucht, die Oberfläche zu minimieren. Planeten sind Kugeln, weil sie bei ihrer Entstehung flüssig waren und die Kugel die Form mit der größten Gravitationsbindungsenergie ist.

Die Kugel besitzt unendlich viele Symmetrieebenen, nämlich die Ebenen durch den Kugelmittelpunkt. Ferner ist die Kugel drehsymmetrisch bezüglich jeder Achse durch den Mittelpunkt und jedes Drehwinkels und punktsymmetrisch bezüglich ihres Mittelpunktes.
Eine Kugel kann auch als Rotationskörper aufgefasst werden: Lässt man eine Halbkreisfläche um ihren Durchmesser rotieren, so entsteht dadurch eine Kugel. Wird der Kreis durch eine halbe Ellipsenfläche ersetzt, ergibt sich stattdessen ein Rotationsellipsoid (auch Sphäroid genannt).
Nach dem Banach-Tarski-Paradoxon kann eine Kugel in Teile zerlegt werden, aus denen sich zwei Kugeln von der Größe des Originals zusammensetzen lassen.
Wie ist es möglich, dass etwas Niederdimensionales wie die Kugeloberfläche, etwas Höherdimensionales wie den Kugelinnenraum umhüllt ?
( Jeder Punkt auf der Kugelfläche ist mit zwei Raumrichtungen zu beschreiben, aber im Inneren der Kugel sind drei Koordinaten notwendig. Wenn der Mittelpunkt einer Kugel im Ursprung eines kartesischen Koordinatensystems liegt, kann mit nur zwei Bogenmaßen in diesem Raum jeder Punkt der Kugeloberfläche bestimmt werden. Genauso lässt sich der Kugelmittelpunkt mit nur zwei Koordinaten bestimmen: Zwei Tangenten schneiden sich in einem Punkt auf der Kugeloberfläche. Wird auf der Ebene der Tangenten und in diesem Punkt die Senkrechte errichtet, entsteht ein Strahl der durch den Kugelmittelpunkt geht. An einem beliebigen anderen Punkt der Kugeloberfläche wird mit gleichem Prozedere auch die Senkrechte errichtet und an dem Punkt in dem sich beide Senkrechten schneiden ist der Kugelmittelpunkt bestimmt.)
Die Kugel ist eine Abstraktion von allem das gegenständliches Sein hat, sich bewegt oder bewegt werden kann, eine zum Gegenstand zusammengenommene, autonom gewordene Oberfläche, eine Grenze, ein Zeichen für die Körperlichkeit unserer Welt, auch der Eigenen.
Diese Oberfläche ist immer einmalig, selbst als Vorstellung, sonst wäre sie nicht Ergebnis einer Abgrenzung.
Diese Abgrenzung muß in bisher unbekannter Weise eine Herkunft aus dem von der Kugeloberfläche umschlossenen Raum haben, als ob der dinghaft umschlossene Raum die Körperlichkeit hervorbringend trägt, also auch uns.
Die Kugel ist ein Zeichen für die Welt und die Dinge, für das was sich uns gegenüber abgegrenzt hat, um dann Körper zu werden, die Möglichkeit für jede Erscheinung. ( Welche Vorstellung hätte ich von meinem Kopf  ohne Spiegel und dem Angesicht anderer ? Platons Höhle ?)
Die  Kugel stellt komplex die optimale Erscheinung von Körperlichkeit dar.
Von allen Körpern umschließt sie bei kleinster Oberfläche das größte Volumen.
Die Oberfläche einer Kugel kann nicht auf einer Ebene ausgebreitet werden und genauso kann sich keine Fläche zu einer Kugel schließen. Wie ist dann aber die Kugel überhaupt möglich ?  
Das würde bedeuten: die Kugel, damit Ausdehnung und Körperlichkeit kann nur von Innen, als Entfaltung von Etwas möglich sein, wie von einem Mittelpunkt.
Der Punkt als einzig mögliche Grenze des Raumes.
Wenn unendlich viele Punkte den gleichen Abstand zu einem Mittelpunkt haben, entsteht eine Kugeloberfläche.
Was ist also ein Körper und was eine Oberfläche ?
Eine offene Frage. Mir konnte sie noch niemand überzeugend beantworten, so beantworten, dass nicht die verschiedenen wissenschaftlichen Dimensionsbegriffe oder Näherungen jeden Bezug zu unserer Welt vermissen lassen. Denn es geht nicht nur um eine im abgeschirmten mathematischen Raum und der Genügsamkeit praktischer Anforderungen ( z. B. die Annäherungen an die Zahl Pi ) sich bestätigenden Erklärungen zu folgen, sondern auch um die Beziehung zwischen Wahrnehmung und Denken.
Denn was wissenschaftlich erkannt wird, muss sich im Bezug zur Wirklichkeit beweisen, das macht Wissenschaft wesentlich aus.

Die erste Voraussetzung um im Raum zu agieren oder ihn vorzustellen ist, das er erst einmal da sein muß, genauso ist es bei der Begegnung mit den Festigkeiten der Welt und dem Sichverhalten in der Zeit. Das A Priori von Raum, Zeit und Materialität, kommt vor aller Wahrnehmung und Vorstellung, es ist das Mögliche selbst. Wir sind in Raum und Zeit in Bewegung.
Eine Präzisierung in unsere mögliche Wirklichkeit bietet die als gesichert geltende Theorie vom Urknall.
Raum ist eben nicht pure geschichtslose Präsenz von Wirklichkeit, sondern Grund aller Erscheinung, entfaltete sich aus der ungeheuren Punktförmigen Energieverdichtung gleichzeitig überall und zieht gleichsam Materialität und Zeit mit sich, immer noch.
Die Frage ist wie begann der Raum, Raum zu sein, hat er überhaupt Sein oder ist durch ihn Dasein erst möglich ?
Und immer wieder die Frage, was ist Raum ?
Der Denkakt, den dreidimensionalen Raum, den Würfel und konsequenter die Kugel überhaupt vorstellen zu können, ist die zweite Voraussetzung für unsere Wahrnehmung. Die freie Orientierung im Raum ist nur über eine ständig verifizierende Ortung über die drei Koordinaten des Raumes möglich, eine hochkomplexes Interagieren zwischen den Sinnesorganen und der Auswertung der Informationen durch ein Hirn. Deswegen ist Wahrnehmung ein Denkvorgang.
( Tiere müssen die Strukturen des Raumes ebenso wie wir vollziehen, sonst könnten sie weder wahrnehmen, noch reagieren. Mich würde interessieren was Neurologen zu der unfasslichen Komplexität des Wahrnehmens einer Stubenfliege oder Spinne und deren Präzision in der Raumortung sagen; eingedenk der enorm schnellen Informationsverarbeitung, den insektenhaften Superrechnern.)

Hier zeigt sich ein weiteres ziemlich gravierendes Phänomen.
Wenn ich auf der vorgestellten oder einer realen Kugel eine Linie ziehe, dann umrundet selbst nur diese eine Raumdimension den dreidimensionalen Kugelraum und als würde das noch nicht ausreichen, verschwindet diese Linie mit ungefähr der Hälfte des wahrgenommenen Körpers aus unserem Blickfeld.
Die abgewandte Seite der Kugel sehen wir nicht, wir sehen die aufgezeichnete Linie von ihrer Unterseite und selbst wenn wir um die Kugel herumgehen oder sie drehen, die ungefähre Hälfte (stereoskopisches Sehen) ist immer wieder und nicht nur dem Blick entzogen.
Weil wir eher die gewölbte Fläche der Kugel als ihre Gesamterscheinung wahrnehmen, und damit auch die Oberflächen, statisch, aller Wesen und Dinge der Welt, als die Kugel oder die Wesen und Dinge als komplexen Raum, verfügt unsere Wahrnehmung nicht über die volle Entfaltung der drei Raumdimensionen und damit der Körperlichkeit uns gegenüber und der unserer selbst.
Würden wir über die volle Entfaltung der drei Raumdimensionen verfügen hätten wir kein Gegenüber mehr.
Die Materialität verstellt uns den Blick, selbst bei einer Glaskugel.
Dem platonschen Höhlengleichnis ähnlich ( die Reduktion der Welt zu  wandelnden Schatten an der Felswand ist gar nicht notwendig ) könnten wir unsere Körperlichkeit  und die der Welt nicht erkennen, als Wesen, die bewegungslos nur den naheliegendsten Ausschnitt der Welt in einem starren Blick haben. Es wäre alles nur ein Bild. Anders wenn das Abbild sich bewegt.

 

                                               BEWEGUNG

Wir sind im Raum, aber unsere Wahrnehmung orientiert sich an Oberflächen.
Die Landschaft ist ein Flächenmodell ins Nichts unseres Vorstellungsvermögens hinein, doch wenn wird den Kopf drehen erfahren wir Raum in der Bewegung als Erleben ohne dieses irgendwie erfassen, erklären zu können.
Bewegung ist einfach da und immer jetzt und vermutlich kann sie an sich nicht gewollt werden, sie ist erfahrbar als Selbstbewegung und als bewegtes Anderes, sie geschieht.
Wir kommen nicht um die Dinge herum. Nur in der Bewegung erfahren wir unsere Dreidimensionalität.

Mit der Erkundung, Eroberung und Vermarktung der Weltoberfläche krümmte sich die flache Welt zur Kugel, war der Mensch definitiv außen auf einer Oberfläche mit ein wenig  Luft.
Das geschah bereits mit der antiken Seefahrt, Columbus, Magellan, mit der Kosmologie der Renaissance, der Weltraumfahrt, mit Satellitenbildern aus 200 km Höhe, die dann zum Flug um den digitalen Globus zusammengesetzt werden (Google Earth).
Die sezierende Betrachtung der Welt bringt scheinbar stetig neue Oberflächen ans Licht, dringt nie ganz in den Raum vor.
Wenn aber die Zweidimensionalität einer unregelmäßigen, bewegten Oberfläche bewiesen werden soll, entsteht ein Widerspruch ( Auch schon wenn die Kugel z.B. aus Holz ist, Textur ).
Um das Koordinatensystem an wirklich messbaren Punkten anlegen zu können, muß der Wahrnehmungsausschnitt so lange verkleinert, die Struktur vergrößert werden, bis eine messbare Oberfläche erscheint. Das wird aber nie der Fall sein, da sich die materielle Welt bei näherer Betrachtung immer in ihre Struktur auffasert.
Letztlich ist damit jede Oberfläche unendlich, obwohl sie nur einen bestimmten Raum umschließt. Wie der Flug aus dem Kosmos zeigt.
Auch auf diese Weise trägt der Raum die uns erscheinende Dinglichkeit.
Ein unheimliches Rätsel.

Oder ist möglicherweise die in eine kosmische Grenzenlosigkeit sich nach außen bewegende Endlichkeit der wahrnehmbaren, hochdifferenzierten Welt ( der gleiche Gestus, in einem Nichts von Punkt beginnend, den die Kugel als Raum und Oberfläche macht ), gegensätzlich gerichtet zu einer sich entgenzenden  fraktal nach innen ausdehnenden Endlichkeit ( wie eine Gegenwelt, mit der gleichen allseitigen Ausdehnung, wo der Raum im Allerkleinsten mit dem Verschwinden der letzten Spuren von Materie dann seine Oberfläche verliert ), die sich dadurch einholt, sich überwunden hat und beide sind ineinander geschoben oder beide haben einen Ursprung in der vollzogenen Denkbewegung eines Menschen, der wie alles Sein der Welt, derart wie eine Verknotung der konträr gerichteten Unendlichkeit wirkt ?
In der Wirklichkeit ist jede Oberfläche fraktal und bringt in der Annäherung an eine gegenständliche Substanz immer neue Oberflächen hervor, bis zur Auflösung jeder Oberfläche in den Bereichen der Plancklänge, der Quantenphysik, wo aber in unvorstellbarer Winzigkeit völlig andere Gesetze herrschen. Aber natürlich muss es da Beziehungen geben, die wir aber noch nicht kennen.
Wenn es aber diese winzigen Bereiche des Wirklichen gibt, wo jede Oberfläche verschwindet, also das Gegenstandsein, dann muss es so etwas wie eine Schwelle geben die dabei überschritten wird.
An welche Schwelle verlieren die Dinge ihre Oberflächen und treten in nur räumlich-energetische Beziehungen ein?
Sind an dieser Schwelle die Raumdimensionen miteinander verbunden?
Wie verhält sich dazu das Kugelmodell ?
Was bleibt wenn so ein Kugelraum seine Oberfläche verliert ?

Ich stelle mir die Situation der ineinander gesteckten Atomaren- und planetarischen Raumwahrnehmung wie zwei umgekehrt ineinander geschobene, sich stetig parabolisch ausdehnende Trichter vor, wo der Ursprung des einen Trichters in der Mitte der jeweils größten Ausdehnung des anderen ist, fortlaufend, sich unendlich der Kugel annähernd.
Und dort wo die gegenläufig durchdringende Ausdehnung der Trichter sich in einer Mitte zu berühren scheinen, den eigentlichen gemeinsamen Ursprung haben, leuchtet unsere Wahrnehmung auf, geschieht subjektiv gerichtete Bewegung, Leben.

Die Kugelfläche kann als Oberfläche oder auch als Raum betrachtet werden, einmal von außen und einmal von innen.
Der  Kugelmittelpunkt ist ein Sonderfall in der Verortung, er ist mit nur zwei Koordinaten ( zwei Radien die sich kreuzen ) erreichbar, aber nicht die anderen Raumpunkte der Kugel.
Nur die Oberfläche wieder genügt sich zweidimensional, wie eine zentrifugale Vermehrung des Mittelpunktes und der  nulldimensional ist oder als unendlich dünne Linie eindimensional.
Damit wäre  die Kugelfläche Ergebnis der entscheidenden Erweiterung, Ausdehnung der Punktdimension zur Kugelfläche durch den dreidimensionalen Kugelraum hindurch, wobei die Kugelfläche auch mit eindimensionalen Linien beschreibbar ist, als im Mittelpunkt zentrierte Abfolge unendlich vieler Durchmesser. Also der eindimensionale Kreis unendlich in der Kugelfläche enthalten ist.
Dabei spielt allerdings der Radius eine große Rolle, denn er lokalisiert den Mittelpunkt und Ursprung der Kugel.
Der Mittelpunkt scheint sich bezüglich zur als Kugelfläche zusammen -genommenen Punktmenge mehrdimensional erweitert, vermehrt zu haben.
Das Zweidimensionale umschließt dann ganz logisch das Punktdimensionale
( oder vielleicht ist der Punkt vielmehr eigentlich nichts, ein Nichts das am Anfang unserer Raumvorstellung steht und mit dem unser Begriff von Körperlichkeit beginnt, ein Nichts aus dem wir kommen und in das wir wieder gehen? ).
Damit dieses Umgreifen des Mittelpunktes möglich ist, muss aber ein dreidimensionaler Raum durchmessen werden.
Also enthält die Kugelfläche, die Punktdimension, die erste Raumdimension und umgreift zwei Raumdimensionen, eine mit nur einer Ausdehnung, der Mittelpunkt auf den sich alle Kugelflächenpunkte radial beziehen und eine höherdimensionale mit drei Ausdehnungsrichtungen, den Kugelraum. Verblüffend.
Wie ist das möglich und warum ist das so ?

Als Konsequenz dieser Überlegungen kann unser Körper- Raumbegriff hinterfragt werden: In wieweit ist unsere Wahrnehmung von Körper, Raum, Zeit und Materialität eine reine Vorstellungsleistung in der wir unsere Welt zu großen Teilen in ihrer Entfaltung aus den Bedingungen der Vorstellung heraus produktiv erleben oder ist unsere Vorstellungsleistung ein A priori dem wir mit den Erscheinungen der Welt erst begegnen?

Verblüffend ist, daß man annehmen kann, der Kugelraum sei unendlich und genauso die Formen die seine Grenzfläche annehmen kann, ohne jemals die Endlichkeit einer Grenze aufzugeben.
Die Möglichkeit der Gestaltwerdung einer Oberfläche hängt ja mit der Unendlichkeit der Möglichkeit des Kugelraumes, oder des Raumes überhaupt zusammen. 

Wie groß kann die Kugel werden, oder wie groß ist sie, möglicherweise die gleiche Frage ?

 

                                     RAUMDRUCK  -  MEMBRANE

Raum als das zu verstehen, was Körperlichkeit möglich macht, erwächst aus synthetischer Erfahrung, aber Raum, der die Körperlichkeit zuerst hervorbringt ist unvorstellbar, jedoch eine Voraussetzung für eine Erklärung unserer Welt und eine künstlerische Erfahrung.

Immer wieder versuche ich mich auf die Ursprünge dessen, was Bildhauerei, Zeichnung oder Malerei eigentlich und heute sind, zu besinnen.
Dabei sind mir bereits die beiden gegenläufigen Trichter als Form der sich dem Raum öffnenden Kugel ( oder wo Raum seine Oberfläche verliert ) oder eines sich dem Raum öffnenden Loches, intuitiv begegnet.
Wie kann ich die eminent plastische Grundbeziehung unseres Seins, die des Körper zum Raum, mit den heutigen Fragestellungen künstlerisch gegenwärtig seiend sichtbar machen, daraus entstehende Fragen beantworten ?
Mit handwarmem Wachs zwischen den Fingern Möglichkeiten bildend, was bildhauerisch überhaupt sein kann, entstand im ergriffenen Raum der Hände, ganz von selbst, etwas mir begegnend Neues: wie ein bildhauerisches Material einen Raum umschließt und dabei selber zum Raum offen bleibt. Eine Grunderfahrung die ich mir erstmal auf den Tisch gestellt habe, um zu verstehen was ich da gemacht habe, das hat ungefähr ein Jahr gedauert.
Eine Bestätigung etwas Grundlegendes gefunden zu haben erfuhr ich mit den Versuchen auszuprobieren was diese Form noch zulässt.
Eine kleine radiale Verschiebung in diese Form machte sie auch zum Träger einer Keimform des Hockens.
Der Ansatz für die Figur eines hockenden Menschen war gefunden. Daraus entwickelte ich die Skulptur „ Hockender Mann „ von 2003 h: 250cm.
http://www.simon-schade.de/hockmanthumbs.htm

Mit dieser Skulptur vollzog ich in beweiskräftiger Größe, wofür ich den Begriff Raumdruck gefunden habe.
Die Skulptur „ Frau mit ergriffener Mitte „ in welcher Raum auch körperlich wird, konnte ich in dieser Zeit abschließen.
Der Kristall des Hockens ist wie das Modell einer bestimmten Form des sich Entwerfens in eine Existenz.
Ein Urzustand menschlichen Seins.
( Nach einem großen „ Hockenden „ von 1987, ist das die zweite Annäherung an diese komplexe plastische Struktur.)

Ähnlich wie der Ansatz für die Skulptur „ Bewegungskristall „  1989  h: 350 cm in der ein choreografisches Komprimat der Bewegungen eines Menschen von einem Tag oder Jahr sichtbar wird oder für die Skulpturengruppe „ Vier Kinder „ 1988 lebensgroß, die Wachstum mit Ichfindung tänzerisch auf einem Weg verbindet oder für die „ Schwangere „ von 1989 h:250cm u.s.w., war bei der Skulptur eines Hockenden die Abstraktion von ganz realen und von allen Menschen wiederholt erlebten Erfahrungen maßgebend.
Hier die existentiellen Drücke, die in verschiedenen Intensitäten ein Leben bestimmen können, in einer nicht bloß gestischen Version sichtbar zu machen. Der existentielle und gesellschaftliche Druck, z.B. Anpassungsdruck ist auch und gerade Raumdruck.
Beim Hocken entsteht bei der Einfaltung des Raumes durch den Körper ein Innenraum, der sich zwischen der Kopf-Hand Beziehung, über die Knie zu den Füßen spannt.
Ein großer Teil dieses gestisch werdenden Innenraumes wird in die Struktur des Körpers des Hockenden selbst einbezogen, als seiner Körperlichkeit gleichwertig. Der Raum agiert wie der Körper.
Wo Oberschenkel und Oberarme sind ist Leere; von der gestischen Membran des Hockens  in der Schwebe gehalten, entsteht eine Keimform des Hockens, die universelles Zeichen und zugleich die gestische Aktualität dieses Hockenden mit ergreift, sein Dasein aufspannt, den Kristall des Hockens aus dem Druck des Raumes in der Skulptur errichtet.

Wenn diese Keimform des Hockens noch vor der plastischen Materialität des Hockenden Mannes da war, kann diese als Grundform des Seins - die umschließt und öffnet – mit dem gestisch – kristallinen Habitus über sich hinausweisen, erscheinen in der Dimensionalität des Plastischen und gleichsam in dieses übertreten, menschlich erkennbar werden.
Der Hockende Mann wird durch eine zum Zeichen verdichtete Begegnung von Raum in drei verschieden strukturierten Wahrnehmungstiefen möglich.

These: Der Raum wird  über Oberflächen, Membrane in der erfahrbaren Welt fassbar. Voraussetzung ist die Denkleistung der dreidimensionalen Raumvorstellung. Das die Welt umfassende Sein tritt uns durch den Raum hindurch in der Materialität der Erscheinung immer als ein Außen, eine Oberfläche entgegen.
Ich versuche das ernst zu nehmen und besinne mich auf die Membran als körperschaffende Grenze, wobei das Innen des Körperraumes genauso aktiv ist wie sein Außen.

Schon während meiner Studienzeit fühlte ich ein zunehmendes Unbehagen bei der Arbeit an rundplastischen Figuren, sie blieben letztendlich in der Tiefe des Volumens unklar. Eine wirklich überzeugende Bewältigung eines plastischen Volumens in der Tiefe, trotz aller Teilvolumen, Achsen, Richtungen, habe ich bei keiner Skulptur die ich kenne gefunden. Aber ich hatte eine Ahnung von dem was möglich ist und habe schon damals mit membranartigen Raumformen
Versuche gemacht.

Henry Moore und Alberto Giacometti fanden starke Lösungen den Raum in die Skulptur einzubinden.
Giacometti im Verschwinden der Substanz hin zum Sein und Moore in der Öffnung der Skulptur zum Raum.

Mit der Skulptur  „ Radfahrer „   2004   h: 330cm ist es mir gelungen die körperschaffenden Eigenschaften einer plastischen Nuroberfläche, einer
Membran erstmals konsequent sichtbar zu machen.
http://www.simon-schade.de/radfahrer.htm
Denn eine Oberfläche ist immer Oberfläche von etwas.
Der Mensch in eine Funktion eingebunden, angestrengt in der Fortbewegung agiert aus dem Zentrum eines kugelartigen Raumes.
Plastisch umkreisen sich erweiternde Durchmesser in einer Fahrtrichtung, zu der rechtwinklig eine gespannte Membran entsteht, die sich trichterförmig schließt.
Eine exzentrische Bewertung der allseitigen Symmetrie des Kugelraumes.
Sie erscheint als entlastende und belastende Bewegung des Pedaltretens.
Aber es erscheint eben kein Abbild eines Radfahrers, sondern etwas das wirklich während dieser Bewegung geschieht in der kompaktesten Form mit der Raum zur Erscheinung drängt.

Die plastische Membran spannt hochdifferenziert eine Oberfläche in eine Gegenständlichkeit, zu einem Körper und bringt damit ihr Gegenteil, eine Gegenthese, komplementär wieder eine drängende Oberfläche, aber mit völlig anders gespannter Gegenständlichkeit hervor.
Beide scheinbar identischen Raumformen stehen in hervorbringender Beziehung und im unglaublich intensiven Zwischenraum entsteht eine Körperlichkeit, die Herkunft und Bestand aus dem Raum, einem allseitigen Bedingtsein und damit aus sich, erfährt.
Das Sein kann in solchen gesetzten Grundspannungen zur Erscheinung kommen und wird nicht bloß plastisch behauptet.

Ein Sichentwerfen im Raumdruck einer Membran ist Ansatz der Skulptur
 „ Aufstehen „   2005-2007   h: 360 cm.
http://www.simon-schade.de/aufstehen.htm

 

Simon Schade

 

http://www.simon-schade.de                                                    Wird fortgesetzt.