SIMON SCHADE

 

                    MEMBRANSKULPTUR - BILDMEMBRANE

               Die Nur-Oberfläche – die geometrische Membrane

          Die plastische Membrane und die malerische Membrane
                
     
                                                Ansätze

 

                                            

- Die sichtbare Welt erscheint als ungeheure Fülle von rauen, glatten, farbigen, großen und kleinen, dünnen, dicken, ganzen und kaputten Oberflächen – das sind alles Membrane deren eine, wie man sie auch dreht, die zugewandte Seite immer sichtbar ist.
Sie sind wie alle Oberflächen immer und überall und bis auf wenige nicht relevante Ausnahmen gekoppelt an die geometrische Konstruktion der einen vielgestaltigen Geschlossenheit, dem Körper, dem Volumen –  selbst im Kleinsten und Allerkleinsten und im Größten, selbst den Weltraum können wir nur als Geschlossenheit, als Kugelinnenansicht, die sich immer weiter ausdehnt, denken und immer nur gerichtet von außen, nach außen. Wir können keinen Raum oder Körper als nach innen gerichtet denken oder wahrnehmen und gleichzeitig innen sein – wir können außen und innen nicht gleichzeitig vorstellen.
Wir können nicht außerhalb des Raumes sein.

- Geometrische Konstruktionen sind mit dem Gehirn bereits angelegt - a priori - und führen uns auf der Welt zu den ersten Erfahrungen, mit denen wir die Begriffe von Etwas hervorbringen.
Unsere Gegenständlichkeit, die Dinge werden so für uns fassbar, benennbar und geradezu vermessen und sie bleiben ein Leben lang das Material mit dem wir immerzu den Alltag verifizieren und korrigieren, also erfahren, ein permanentes Denken aus dem Hintergrund, die Wahrnehmung, ohne das wir das bemerken, nur wenn wir daneben greifen stutzen wir.

- Wir können uns die Membrane, wie alle Oberflächen, nicht als abstrakte zweidimensionale Fläche denken – weil eine Fläche keine Stärke, Dicke oder Substanz hat - aber konkret, als Wasserober/unterfläche oder als Informationskonzentration in einem Viereck – als Bild oder Film – eben so grundsätzlich als jede andere Oberfläche jeder Erscheinung, jedes Dinges auf der Welt.

- Wenn ein Bild am Monitor so weit gedreht wird, dass es nur noch von der Seite im 90 Gradwinkel zu sehen ist, wird es unsichtbar, unabbildbar, weil es keine Dicke, keine dritte Dimension hat  - das Bild ist reine Information, die von einer Fläche getragen wird und keinen für uns realen Raum hat – das ist auch die Membrane, die Nur - Oberfläche aller Dinge - Information!
Die Ausdehnung und Materialität der Wesen und Dinge und damit ihrer Existenz überhaupt, wird von der Membrane, der jedem Körper ganz spezifisch einmaligen Oberfläche, von innen nach außen abgebildet.
Warum ist das so?

- Wir sind dreidimensionale Wesen, die weder zwei Raumdimensionen, die Fläche - sobald wir uns eine Fläche vorstellen ist sie schon etwas und damit dreidimensional -, noch ganz einen Körper denken, vorstellen und wahrnehmen können.  Wir kommen um die Dinge nicht herum - wie um uns selbst – wir haben Perspektiven, Ansichten von uns und Abbilder und den Spiegel.
Wer hat schon einmal sein Gesicht gesehen?

 

                                 MEMBRANSKULPTUR

- Die Plastische Membrane, kurz PMembrane, hat dem geschlossenen Volumen gegenüber eine wesentlich größere Oberfläche (Innen und/oder Außen) und damit ungleich mehr Ansichten.

- Die Voraussetzung für die Entfaltung der PMembrane ist eine konzentrierte geometrische Körper-Raumkonstruktion, sozusagen ein geometrisches Raumskelett.

- die PMembrane ist immer gespannt – wie die Haut – ohne die Oberfläche eines Körpers zu sein.
 
- Die PMembrane ist singulär.

- die PMembrane in der Vorstellung und dann in der Wahrnehmung wird zuerst gedacht etwa wie geometrischer Grundkörper - ein Würfel oder die Kugel und braucht so kein Äquivalent im Wirklichen um wirklich werden zu können, diese sind als geometrische Vorstellungsmodelle Voraussetzung für alle Erfahrung und ermöglichen zuerst die Wahrnehmung von Wirklichkeit über die Begriffsbildung für jede konkrete Körperlichkeit.

- Jede PMembrane hat einen Rand, an dem sich beide abgewandt Seiten ineinander umkehren. Die sich vom Rand weg entfaltende doppelseitige Oberfläche kann man sich in ihrer weiteren Entfaltung nicht vorstellen, aber sie ist erlebbar.

- Am Anfang einer Membranskulptur ist der Rand ein in die Konstruktion gebogener Draht, reine materialisierte Konstruktion – dann beginnt die Arbeit und das Erlebnis.

- Die PMembrane erscheint als einzige direkte physische Verbindung zwischen den mathematisch – geometrischen Konstruktionen welche die Wahrnehmung bestimmen und der zeitlich gelebten Wirklichkeit.
Weil die PMembrane ohne Konstruktionen keinen Rand, keinen Anfang hätte – wie kann eine geschlossenen Kontur einen Anfang haben und welchen? – und dann mit dem Antragen des plastischen Materials der Rand sich in ein Wirklichwerden ausdehnt, wie eine zu Flächen vervielfältigte Linie sich unter Spannung sukzessive verformt und damit die Initialisierungskonstruktion in die Wirklichkeit zieht - zwei in dichtestem Abstand nebeneinander her driftende, sich zueinender verschieben könnende, hochgespannte Oberflächen entstehen, die PMembrane.

- Was geschieht, wenn die beiden Oberflächen zueinander verschoben werden?  Was geschieht dann mit dem Rand?

- Die PMembrane enthält eine Eigendynamik, ein von Innenherausagieren in alle Richtungen, wie das Wachstum einer Zelle, hin zur körperlichen Erscheinung. Es ist nicht bestimmbar wo Ausdehnung und Tiefe, Wölbung und Höhlung ihren Ursprung haben.
Es gibt keinen Mittelpunkt - es bleibt der Rand, wie ein Anfang, der ein mathematisches Modell illustriert, Konstruktion – Denken, Vorstellung, Projektion.
Der forschende, konstruierende, bauende Mensch entwickelt und schaut die Welt der Tatsachen immer an, betrachtend und schon damit verändernd, er kann nicht anders, er kann nicht von innen heraus nach innen anschauen, er hat immer ein Gegenüber, er wäre ja sonst auch selbst nicht da, würde keinen Ort kennen für sich und das Andere. Nur die Natur – das Wachstum, das Leben entsteht nach innen gerichtet – wie die Zelle die sich teilt.

- Als im Raum voll wirksam existiert in der Natur nichts Vergleichbares.

- Selbst die wenigen als Ausnahmen erscheinenden Gewächse, wie Bäume mit Ästen voller Blätter, die der Wind dann davon trägt oder die Blumen mit Knospen oder Blüten, sind nur Andeutungen, – nur flache Variationen unserer immer gleichen scheinbar abgesicherten Körperauffassung – für eine andere Sicht auf die Dinge und auf unsere Beschränktheit und Voreingenommenheit in der Wahrnehmung.

Uns begegnen in der realen Welt die Dinge nur als Oberflächen, die auf eine erfahrbare Körperlichkeit in den verschiedensten Erscheinungen verweist - wir müssen sie nur verstehen können.

Probleme die Menschen wirklich haben scheinen nicht im Blick zu sein.
                             

 

                                      BILDMEMBRANE

- Die malerische – die Bildmembrane nimmt das Bild von der Wand und stellt, platziert es frei in den Raum.
 
- Die vorher der Wand zugewandte Bildseite wird aktiv.

- Beide Bildseiten werden eine Bildmembrane – die kompositorischen, thematischen, farblichen Bildentwicklungen können so durch die Fläche
kommunizieren.

- Aus dem Bild an der Wand wird ein universeller Bildträger im Raum, der aus zwei Flächen besteht -  die zur interaktiven Information über Farbe, Textur und künstlerische Form geworden sind und ein Gegenstand.
Zwei aufeinander bezogene Bildflächen, die einen Hauch an Abstand benötigen, einen Bildkünstlerischen Grund dafür brauchen - um nicht in der jeweils anderen zu verschwinden. 

- Der Betrachter nimmt das Erlebnis von einer Bildseite zur anderen mit.
In dieser Bewegung sieht er die Bildseiten notwendig in verschieden Winkeln und Ansichten bis sie seitlich unsichtbar werden und dann in Perspektiven auf der jeweils anderen Seite wieder bis zur Gänze sichtbar sind.
Was genau aber nimmt der Betrachter von der Bildstruktur der einen Seite auf die andere mit? Wie kommen da intuitiv präzisiert die Bildseiten in Beziehung?

- Wir bekommen damit die Gelegenheit die abgewandte Bildseite mit zu denken, sozusagen durch die präsente Bildseite hindurch wahr-zunehmen, auf die Information der abgewandten Seite als zugewandt zu zugreifen – und um diesen Bildträger als einen Gegenstand i, Denken und Fühleng herum zu kommen, was mit jedem anderen Gegenstand nicht möglich ist – also, mit dem Erlebnis der Gegenüberseite, dann auf der präsenten Seite die kompositorische und thematische Formarbeit hindurch sprechen zulassen – weil die Bildsprache, die Bildräume, die Formarbeit bereits so intensiv angelegt sind und es die Erlebnisleistung des Betrachters möglich macht.

- Einer der substantiellen Ansätze für die Membranskulpturen und die Bildmembrane ist das Wasser mit seiner Trennfläche.
Wenn man beim Tauchen nach oben schaut und die wellenbewegte Wasserunterfläche mit dem Lichtspiel der durchscheinenden Sonne erscheint, ist es noch unauffällig, nur wenn man weiter nach oben auftaucht und die Wasserunterfläche durchbricht und man die Scheidelinie zwischen Wasser und Luft schaukeln sieht, dann wird es wirklich spannend. Das hat mich bereits als Kind fasziniert und jedes Mal wenn ich tauche schaue ich mir das an. Denn, was ist diese Wasseroberfläche die ich von unten als Unterfläche sehen kann, über die Scheidelinie bis zur Oberfläche?
Es kann keinen Unterschied zwischen der Wasseroberseite und der Unterseite geben, denn es ist die eine Trennfläche und doch sind die beiden Seiten des Wassers so gegensätzlich wie nur möglich - aneinander, identisch?.
Eigentlich sind sie unsichtbar, doch sie tragen die Informationen der Wasserunterseite und der Wasseroberseite - deren Reflexionen und Materialität.
Sie ist eigentlich gar nicht da, die Nur-Oberfläche, die Membrane und wie jede echte Fläche hat sie im Ansatz keine Dicke, kein Volumen und doch bringt sie, wie das Wasser, das die Schalenhaftigkeit des Bootes trägt und mit diesen Kräften die zahllosen wachsenden und sterbenden, lebendigen, sich immer weiter differenzierenden Grenzen setzt, durch alles Sein hindurch, bringt sie die Realität hervor und trägt sie.

Das ist ein Ursprung der plastischen Membrane und der Bildmembrane.

Es ist mir immer wieder eine Freude im scheinbar Alltäglichen und abgesichert Selbstverständlichen das Ungeheuerliche und Unverstandene in der menschlichen Existenz zu entdecken.

Ich und Welt – was ist das?

Wann sprechen wir von den Problemen die Menschen wirklich haben?

Dieser Text ist eine Annäherung, eine Übersetzung in Sprache, an das was sonst ganz in bildkünstlerischen Auseinandersetzungen stattfindet.
Kein Theoriegebäude, das dann illustriert wird.

 

Simon Schade

 

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